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Informationen zu Kuatsu


Inhaltsverzeichnis


Was genau ist Kuatsu?
Welche Beschwerden können behandelt werden?
Wie lernt man Kuatsu?
Wie unterscheidet sich Kuatsu von westlicher Erste-Hilfe?
Anwendungsbeispiel von Kuatsu bei einem Trainingsnotfall


Was genau ist Kuatsu?


Beine hochhalten Kuatsu ist eine Maßnahmen-Sammlung für Erste-Hilfe-Situationen. Einige dieser Situationen kommen besonders häufig im Bereich von Kampfkunst und -sport vor, also z.B. im Training oder im Wettkampf, aber natürlich auch im unreglementierten Kampf. Die meisten Techniken sind dabei auch sehr gut für große und kleinere gesundheitliche Probleme in allen anderen Bereichen des Sports und Alltags geeignet. Letztlich sind es einfach Sofort-Maßnahmen gegen plötzlich auftretende Beschwerden oder Notfälle.

Kuatsu ist nur Erste Hilfe. Es ist es also in der Regel notwendig, schnellstens den Rettungsdienst zu verständigen.

Die Kuatsu-Techniken basieren zumeist auf Nerven-Reflexen und sind, anders als z.B. die Wirkungsweise der Akupunktur, medizinisch erklärbar. Eine Ausnahme bilden nur die Techniken aus dem Übergangsbereich zum Shiatsu, die über Meridianpunkte wirken. Häufig wird mit Stößen und Schlägen gearbeitet, aber auch mit Streich- und Drucktechniken sowie mit weiteren Methoden (s. Bild links, hier werden die Beine hoch gehoben und leicht geschüttelt).

Warnung! Mit den Techniken darf man keinesfalls experimentieren. Das gilt natürlich genauso für einige westliche Maßnahmen, wie z.B. die Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW). Im Notfall sollte man aber nicht zögern zu handeln. Leben geht vor Schaden.

Der Fußsohlenhandkantenschlag Nachfragen von Freunden bei Japanisch-Sprechern und japanischen Bekannten haben ergeben, dass das Wort Kuatsu so nicht existiert. Das erste "u" hat sich wohl fälschlicher Weise in den Übersetzungen eingeschlichen. Richtig ist also eigentlich "Katsu". Die korrekte Aussprache können Sie sich in dieser .wav Datei anhören. Eigentlich müsste man sogar von Kappô statt von Katsu sprechen, denn Katsu (活) an sich ist nur das japanische Wort für "Leben", während Kappô (活 法) übersetzt "Methoden des Lebens" bedeutet. Ich behalte die Bezeichnung sowie die Schreib- und Sprechweise Kuatsu bei, da sie im europäischen Raum bereits etabliert ist. Katsu ist ein einziges Wort, das mit dem Kanji 活 geschrieben wird. Es besteht nicht, wie man oft in Büchern liest, aus den Worten "Kua" und "Tsu". Der koreanische Begriff für Kappô ist Hwal-Beop (활법), der chinesische ist Huo Fa.

Die Begriffe Kuatsu und Kappô sind japanischen Ursprungs und die meisten Techniken wurden uns auch durch die japanischen Kampfkünste überliefert. Einige Techniken kamen vielleicht aber auch über China nach Japan oder wurden direkt aus China überliefert. Der Autor F. E. Eckard Strohm hatte beispielsweise auch einen chinesischen Lehrer und im Vorwort zur zweiten Auflage des Kuatsu-Buchs von Käsermann (SUI) von 1978 schreibt der Arzt Dr. med. Felix Hess, dass er Ende der 1960er Jahre auch an Kuatsu-Demonstrationen von koreanischen Kampfkunstmeistern teilgenommen hat. Der "Shiatsu-Bereich" im Kuatsu kann wohl auch nicht als rein japanisch bezeichnet werden. Woher genau jede Technik ursprünglich kommt, liegt ziemlich im Dunkeln und ist auch nicht sonderlich relevant für die Anwendung. Freuen wir uns, dass diese Techniken überliefert wurden und das Wissen nicht verloren ging. (Bild: Der Fußsohlen-Handkantenschlag)

Im Fachmagazin "Taekwondo-Aktuell" erschien dieser vierseitige Artikel mit vielen Fotos, die Kuatsu-Techniken zeigen (pdf Dokument, 9 MB).

Welche Beschwerden können behandelt werden?


Der Rippenbogengriff Folgende Beschwerden bzw. Unfälle können mit speziellen Kuatsu-Techniken behandelt werden. Diese Gliederung entspricht bis auf eine Änderung in der Reihenfolge der meines Lehrers Hans-Jürgen Sobota. Die deutschsprachigen Bücher über Kuatsu enthalten zum Teil zusätzliche Maßnahmen, zum Teil fehlen aber auch Problemfelder, die hier aufgelistet sind. Vielleicht schaffe ich es irgendwann, eine Übersicht über die Techniken der verschiedenen "Schulen" zusammen zu stellen. Darüber hinaus gibt es nicht selten Unterschiede in der Art und Weise, wie die Techniken und Maßnahmen durchgeführt werden. Das ist übrigens auch in der westlichen Ersten Hilfe der Fall: Unterschiedliche Notfallmediziner haben unterschiedliche Meinungen. Die Lehren der Erste-Hilfe-Organisationen wie z.B. Rotes Kreuz und Johanniter ändern sich auch mit den Jahren und sind nicht in allen Ländern gleich. Die Grenze von Kuatsu zu Nicht-Kuatsu ist in manchen Fällen fließend. Das Bild oben zeigt den "Rippenbogengriff".

Bewusstlosigkeit (Atmung und Herzschlag vorhanden)
- nach Kopftreffer oder Sturz auf den Kopf
- nach Schlag in den Solar Plexus
- nach Schlag in den Unterbauch
- nach Schlag in die Geschlechtsteile

Bewusstlosigkeit mit Atmungsstillstand (Herzschlag vorhanden)
- nach Blut oder Luftwürger
- nach Fall auf den Rücken

Bewusslosigkeit mit Atmungsstillstand und Herzstillstand

Hodenschlag oder Hodentritt

Kopfschmerzen

Bluterguss Sofortbehandlung

Nasenbluten

Verrenkungen
- Kiefer
- Schlüsselbein (Bruch, Verstauchung)
- Schulter
- Ellenbogen
- Finger
- Rücken (leicht ausgerenkt)
- Knie
- Zeh
- Verstauchung Handgelenk
- Verstauchung Fußgelenk

Krämpfe
- Schluckauf
- Seitenstechen
- Übelkeit
- Oberschenkelkrämpfe
- Wadenkrampf

Atemnot
- durch eingedrückten Kehlkopf
- durch Fall auf den Rücken


Wie lernt man Kuatsu?


Genau wie bei der westlichen Ersten Hilfe lernt man Kuatsu normalerweise durch Kurse. Wenn man einmal das Grundwissen hat und die Techniken einigermaßen sitzen, kann man auch zwischendurch (z.B. beim Training) üben und wiederholen.

Anders als bei der westlichen, modernen Ersten Hilfe beinhaltet ein Kuatsu-Kurs aber in der Regel mehr praktische Übungen. Dazu eine Rückmeldung einer Teilnehmerin nach einem meiner Seminare:

Auf diesem Wege noch mal vielen Dank für das lehrreiche Wochenende. Es hat Spaß gemacht und durch die ganzen praktischen Übungen "am Mann" (bzw. Frau) ist viel mehr im Gedächnis haften geblieben als bei den doch eher theoretischen normalen Erste-Hilfe-Kursen.

Die Dauer eines Kuatsu-Kurses hängt davon ab, welche Themenkreise man wie intensiv durchnimmt. Es ist z.B. möglich, sich nur mit der Behandlung von Blutergüssen bzw. Prellungen zu beschäftigen, dann ist man in spätestens einer Stunde durch. Um eines der Themen im Bereich "Bewusstlosigkeit" durchzunehmen, sollte man sich allerdings viel mehr Zeit lassen. Alleine für das Grundwissen, unter anderem über Puls- und Atemkontrolle, benötigt man schon recht lange. In der Regel dauert ein Seminar zwischen 7 und 12 Stunden. Dabei wird häufig auch das Wichtigste aus der westlichen Ersten Hilfe vermittelt.
Letztlich kann man sich mit dem Thema nahezu beliebig lang beschäftigen, wenn man sich intensiv mit Notfallmedizin auseinander setzt.



Wie unterscheidet sich Kuatsu von westlicher Erste-Hilfe?


Die Kuatsu-Techniken sind die Erste-Hilfe Techniken, die man in früheren Zeiten in Asien (besonders im Umfeld der Kampfkünste Japans) verwendete und sie sind immer noch sehr hilfreich und "aktuell". Sie stehen nicht im Gegensatz zu den modernen "schulmedizinischen" Maßnahmen, sondern ergänzen sie. Einige der alten Techniken wurden jedoch durch neuere Erkenntnisse der modernen Medizin durch wirksamere bzw. effektivere Techniken ersetzt.

Wie gut beide "Richtungen", also die traditionelle japanische und die moderne "westliche", miteinander verbunden werden können, zeigt auch, dass der Ressortleiter Kuatsu des Schweizer Judo Bundes, Dr. med. vet. Harry Bucklar, seines Zeichens Arzt ist, genau wie viele andere in diesem Verband. Der französische Autor Eric de Winter ist ebenfalls Arzt. Er schreibt in seinem Buch über Kuatsu:

Als Judo-Lehrer habe ich die Kuatsutechniken persönlich für die Wiederbelebung bei Reflex-Ohnmachten angewendet, die im Training oder bei Wettkämpfen ausgelöst wurden.
Als Arzt haben sie mir auch schon in einigen Fällen geholfen. Und schließlich verfügen wir über ein beachtliches Beobachtungsspektrum vermittels meiner Judokollegen, deren Erfahrung zusammen mit der meinen ein beeindruckendes Zeugnis ablegt und [vermittels] meiner Ärztekollegen, die mir von einigen neuen medizinischen Anwendungsmöglichkeiten berichtet haben.
Quelle: "Kuatsu der Reanimation" (1. von 2 Bänden)" von ERIC DE WINTER, Verlag EDITIONS CHIRON, Paris, 1975 (Übersetzer unbekannt)

Allerdings sind die Kuatsu-Maßnahmen in der Schulmedizin eben normaler Weise unbekannt, weil sie (das ist mein derzeitiger Wissensstand) nur in der Kampfkunst-Szene überliefert wurden. Viele Kuatsu-Lehrer kennen sich mit westlicher Erster Hilfe aus und integrieren sie in ihre Seminare.

Die Maßnahmen gegen Kopfschmerzen und Übelkeit basieren jedoch auf dem asiatischen Meridiansystem. Vorsichtig ausgedrückt "ähneln" sie Shiatsu-Maßnahmen, wie ich von einer meiner Taekkyon-Schülerinnen, die praktizierende Shiatsu-Heilerin ist, weiß.

Es ist aus meiner Sicht empfehlenswert, sich zusätzlich zu Kuatsu mit Anatomie und westlicher Ersten Hilfe zu beschäftigen, weil man dadurch Kuatsu und die entsprechenden Zusammenhänge besser verstehen lernt. In der Ersten Hilfe und Medizin generell ist jeder Fall anders und je mehr man weiß, desto besser und fundierter kann man handeln.

Anwendungsbeispiel von Kuatsu bei einem Trainingsnotfall


Bei einem Seminar von Hans-Jürgen Sobota lernte ich Manfred Thull (3. Dan Jiu-Jitsu) kennen. Er berichtete mir 2010 von folgendem Notfall, der sich in einem von ihm geleiteten Training ereignet hat:

Trainer und Ausführender der helfenden Technik: Manfred Thull, 3. Dan JJ
Dojo: Azemichi Goshinjutsu JC 71 Düsseldorf, www.azemichi-goshinjutsu.de

"Folgendes ist passiert:

Es sollte von den Schülern eine Abwehrtechnik gegen geraden Fauststoß bzw. Schubsen geübt werden. Mein zu übender Vorschlag war: Tai-sabaki nach links (Ausweichen mit Schritt nach links), dabei Schlag unter den Arm des Angreifers zur linken Schulter Angreifer (im Ernstfall Hals) und dann mit rechts einen O-Soto-Gari (Große Aussensichel) zum Wurf.

Der Übende traf dabei den Angreifer wirklich am Hals bzw. den Kehlkopf. Folge war das Röcheln und Luftschnappen.

Ich bin sofort hin und habe mit der flachen Hand von oben auf den Kopf gehauen (der Verletzte stand). Die Besserung setzte sfort ein und die betroffene Person konnte wieder ohne Irritation atmen.

Anekdote: die betroffene Person hat den 1. Dan Judo und ist sonst eigenlich unser medizinisches Hilfswunder - da war er dann selbst baff, wie einfach das geht."